«Kinderlieder als Naturmedizin für Erwachsene»
Singen ist immer auch Hören
Höre auf Dich! Lausche in Dich hinein.
Wir verbinden uns singend mit dem heilen Kind in uns und realisieren damit genau das was in der Bibel genannt wird: «Werdet wieder wie die Kinder»
Stimmklang und altes Heilwissen
Melodien wirken sehr konkret wie Akupunktur, wenn wir auf altes Wissen über Stimmklang zurückgreifen. Gehen wir musikgeschichtlich zurück in eine Zeit, wo der Mensch noch nicht perspektivisch malen konnte und in der Musik noch nicht die Fähigkeit hatte in Harmonien zu hören, da musizierten die Menschen über einem einzigen Grundton, und alle Melodietöne hatten einen direkten Bezug zu diesem, und damit einen direkten Bezug zum Meridiansystem des Menschen. Dieses alte Wissen über die Wirkweise von Stimmklang in Bezug zum Meridiansystem ist in der traditionellen indischen Musik für uns erhalten geblieben und der indische Musiker und Wissenschaftlers Dr. Vemu Mukund brachte es zur Jahrhundertwende zu uns in den Westen. Die alten Tonleitersilben Sa, Ri, Ga, Ma, Pa, Dha, Ni, Sa, mit denen in der traditionellen Musik in Indien die Melodien gesungen werden, sind für mich das Bindeglied geworden, um die Wirkung der Kinderlider aus unserer Kultur erkennen zu können. Singen wir die Melodien der Kinderlieder mit diesen Silben, eröffnet sich uns ein wahrer Schatz für Gesundheit und Heilung. Dieses alte Heil-Wissen über Stimmklang bietet die Möglichkeit für eine Akupunktur von hoher Präzision.
Die Wirkweise des Stimmklanges
Diese lässt sich am besten an Beispielen erklären: Sprechen oder singen wir beispielsweise die Silbe Sa, so gelangt Energie über den Nabel in unser Meridiansystem. Allein die Energieanreicherung beim Nabel bewirkt einen Energiefluss in Körperzonen wo ein Energiemangel besteht. Singen wir einen Tonabstand, also zwei Töne, so gelangt an zwei Stellen Energie in unseren Körper, und gleichzeitig fliesst Energie «von einen Ton zum andern», also von einem Akupunkturpunkt zum andern. Da Energiedefizite und Energieblockaden immer mit seelischen Wunden und dem menschlichen Verhalten in Verbindung stehen, haben wir es hier mit einer Naturmedizin zu tun, welche bis tief in unser Erleben und Verhalten wirkt. Musikpädagogik und Therapie lässt angesichts dieses alten Wissens nicht mehr so leicht trennen. Ich behaupte sogar, dass die Handhabung einer Trennung dieser beiden Studienrichtungen die Menschen in die Irre führen können. In der Therapie wird tendenziell diagnostiziert und therapiert, und der Blick ist auf dem Mangel. Was ist aber Pädagogik?
Warum Kinderlieder für Erwachsene?
Wenn Kinder sich im Mutterleib entwickeln, machen diese nochmal die ganze Metamorphose durch, und nach der Geburt ist die Fähigkeit Musik in Harmonien zu hören noch nicht entwickelt. Aber auch dann, wenn wir die Fähigkeit entwickelt haben, in der erweiterten Dimension Musik zu hören, also Musik harmonisch zu erleben, können wir uns nun aber diese alte Wirkweise wieder neu für uns entdecken und nutzen. Diese Wirkweise ist auf körperlicher, emotionaler und mentaler Ebene erlebbar und beobachtbar. Praktizieren wir auf einer fortgeschrittenen Stufe, werden wir sogar unseren feinstofflichen Energiekörper, die Aura wahrnehmen. Dieser Energiekörper erfährt durch die Uebungspraxis einen Energiezuwachs, so dass wir ihn nicht mehr aus unserem Beobachtungsfeld ignorieren können und ihn auch nicht mehr ignorieren wollen. Vielleicht blenden wir die neue Wahrnehmung von uns selbst aus Gewohnheit wieder aus, aber gleichzeitig erhalten wir die Möglichkeit, die neue Wahrnehmung als Anker zu benutzen, um Orientierung zu finden. Die Kunst der Pädagogik ist es Entwicklungsprozesse optimal zu begleiten. Wir Menschen dürfen wieder deutlicher wahrnehmen, dass wir nicht unser Körper sind, sondern, dass wir diesen wie ein Gefährt benützen um hier auf der Erde bestimmte Erfahrungen zu machen, und Erkenntnisse zu gewinnen.
Unsere Dur-Tonleiter
Im Laufe der jüngeren Evolution hat sich die Durtonleiter durchgesetzt und bildet zusammen mit der Moll-Tonleiter ein Fundament für unser harmonische Hören. Für mich erscheint es so, dass sich auf diesem Weg für uns Menschen Naturgesetze offenbaren. Es offenbart sich uns Schönheit. Die Melodien unserer Kinderlieder sind aus der Welt der Dur-Tonleiter, sie fördern in uns die Freude und das Selbstbewusstsein, und das sind die natürlichsten Gefühle, die wie ein Geburtsrecht zu uns gehören. Mit der Dur-Terz nähren wir in uns zudem die Zuversicht. Die Freude berühren wir mit der Quinte, welche auch von Hildegard von Bingen als heilendes Intervall erlebt und beschrieben wurde. Unser Selbstbewusstsein können wir mit der grossen Sexte ansprechen. Der wichtigste Ton ist aber jener, welcher der Ruhe zugeordnet ist. Das ist der Grundton einer Tonleiter oder eines Liedes. Jedes Lied endet auf dem Grundton. Es ist wie ein Nach-Hause-Kommen. Je nachdem ob wir ein Schlaflied oder ein Morgenlied singen, werden wir spüren, dass die «Medizin» eine andere ist. Beim Morgenlied führt die Melodie vom Grundton weg in die Zuversicht, und beim Schlaflied führt die Melodie von der Zuversicht hinunter in den Grundton. Der Melodieverlauf ist also entscheidend. Die Durtonleiter löst Blockaden indem sie die positiven Gefühle, in den Vordergrund rückt. Keine Melodie unserer Kinderlieder ist zufällig. Jede passt wundervoll zum jeweiligen Text. Eines meiner Lieblingslieder hat den Text «Heile, Heile, Segen, drei Tag Regen, drei Tag Schnee, jetzt tuts dem Chindli nümme weh!» Die Melodien sind oft viel älter als die Texte. Für heilsamen Texte wurden oft schon längst bestehende Melodien gefunden.
Ich sehe mich als Entdeckerin der neuen Kinderlied-Pädagogik für Erwachsene
Ich habe über viele Jahre verschiedene psychotherapeutische Sichtweisen studiert um meine Erfahrungen mit meiner indischen Musizierpraxis besser zu verstehen und diese verantwortungsvoll für Selbstheilungsprozesse nutzbar machen zu können. Meine ersten Erfahrungen mit Singen und Tönen auf der Basis des Nada Brahma Systems waren ziemlich herausfordernd. Klangvibration, wenn sie durch das Meridiansystem und unsere Knochen wandert, löst tiefe Verspannungen im Fasziengewebe und verdrängte Gefühle arbeiten sich nach und nach an die Oberfläche. Mir wurde dadurch noch viel bewusster, wie wertvoll Musik für uns Menschen ist. Ich halte weiterhin Ausschau wo überall in der Welt Hinweise über Musik zu finden sind, welche auf ihr grosses Heil-Potential hindeuten. Die Musik selbst spricht zu uns. Mir macht es grosse Freude, einerseits berührende Aspekte aus der Musikgeschichte auch für Laien zugänglich zu machen, und andererseits Menschen singen lernen zu helfen, wenn sie von sich glauben es nicht zu können. Bei mir haben schon viele Menschen die Angst abgelegt, falsche Töne zu singen.
Im Zusammenhang mit Forschungsergebnissen aus der Traumatherapie bin ich auf den interessanten Begriff «Titration» gestossen. Er besagt, dass wir kleine Schritte gehen sollen. Das wiederum bedeutet, dass Ehrgeiz im Fach Musik sehr blockierend sein kann. Das hören jetzt vielleicht die ehrgeizigen Menschen unter uns nicht so gern. Definitiv kann ich sagen, dass wir Menschen in Wahrheit sehr soziale Wesen sind und wir dann glücklich sein können, wenn wir uns nicht vergleichen. Es gibt so etwas wie einen falschen Ehrgeiz. Dieser verschwindet, wenn wir einander wieder konkurrenzlos in Liebe zugewandt begegnen können. Begabung im Fach Musik ist so vielschichtig, dass wir das Beurteilen (nicht nur im Fach Musik) neu überdenken dürfen. In der Gesangspädagogik habe ich ebenfalls Ausschau nach besonderen Ansätzen gehalten, welche uns ganz vom Ehrgeiz wegführen. Denn vor allem die menschliche Stimme verträgt keinen Druck durch Leistungsanforderung. Und weil die menschliche Stimme in ihrer Funktionsweise auf Druck reagiert, so ist es auch umgekehrt möglich, Druck welcher unbewusst in einem Menschen herrscht wieder herauszulösen. Stimmbildung ist also ein ganz besonderes Fach! Das Erlernen einer Gesangstechnik kann in die Irre führen, wenn die Blockaden nicht aufgespürt und gelöst werden. Eine sehr begnadete Gesangslehrerin aus Wien, Susanne Amberg Schneeweis, hat mir in ihren vielen Gruppenkursen die sie an der Volkshochschule gehalten hat vermittelt, wie wir über die Stimme spielerisch unterdrückte Reflexe wieder aktivieren können. Die wichtigsten Erfahrungen zum Thema Stimmbildung habe ich jedoch mit dem Nada Brahma System machen können. Immer wieder konnte ich beobachten, wie sich meine Stimme verändert hat, wenn ich mich länger mit einer Tonskala tiefer beschäftigt hatte. Unterschiedliche Tonskalen fördern in uns ein unterschiedliches Atemmuster. Für Stimmbildung und «therapeutisches» Arbeiten (oder sagen wir bessert pädagogisches Arbeiten) mit Stimmklang verwende ich also nicht nur die Dur-Tonleiter und die Kinderlieder. Das Nada Brahmasystem von Dr. Vemu Mukund bietet uns auch Rhytmusübungen mit gesprochenen Silben, eine Grundtonübung und Visualisierungsübungen.
Weniger ist oft mehr
Akupunktur, vor allem wenn sie über Stimmklang geschieht, wirkt oft zeitlich versetzt und daher lässt sich die Wirkung nicht so gut einschätzen. In Weiterbildungen über Traumatherapie ist mir der Begriff der Titration begegnet. Dieser Begriff deutet darauf hin, dass wir alles gut verarbeiten können müssen um wirklich eine nachhaltige Veränderung in uns bewirken zu können. Da ich bereist über das Thema Ehrgeiz gesprochen hatte, möchte ich es hier nochmals erwähnen. Die Verantwortung geht in die Richtung, dass wir achtsam mit den Uebungen umgehen, also achtsam mit uns selbst sein sollen. Ich rate allen Schülern, dass sie Tagebuch führen, dass sie aufschreiben, was wann und wie lange geübt wurde, und was danach zu beobachten war. Die Wirkung kann sich auch erst am nächsten Tag zeigen.
Aus meiner Erfahrungswelt
Einmal hatte ich an einem wunderschönen Sommertag vor, diesen in Freude an einem Badeteich zu verbringen. Um mir Gutes zu tun machte ich vorher meine Uebungspraxis mit dem Singen. Nachdem ich zwei Stunden lang gesungen hatte fand ich mich am Ufer des Badeteiches stehend in einem ganz anderen Zustand als ich erwartet hatte. Ich musste feststellen, dass mein Körper ein reines Angstbündel war und dass es mir nicht möglich war, den Tag in Freude mit schwimmen und sonnenbaden zu verbringen. Der Genuss der aber möglich war bestand darin, die auffällig neue Wahrnehmung meiner selbst zuzulassen. Interessanterweise was das Erleben der Angst überhaupt nicht schlimm. Ich konnte unmissverständlich feststellen, dass ich tiefer in meinem Körper verankert war, und wie angenehm das war. Dieser Zustand hielt ungefähr drei Tage an.
Ein anderes beeindruckendes Erlebnis war, als ich in der Grossstadt Wien in der Innenstadt zu Fuss unterwegs war. Plötzlich überkamen mich Ekelgefühle und ich sah all den Schmutz auf dem Untergrund auf dem ich ging. Ich spürte meine Verbindung über die Beine zum Asphalt auf dem ich ging. Ja, auch dieses war eindeutig die Folge von meiner Uebungspraxis mit dem Singen. Offenbar kam die Fähigkeit zurück, Ekel empfinden zu können. Schöner aber nicht weniger beeindruckend war die Begegnung mit der Selbstliebe, die sich mir auf einem Spaziergang nach einer Uebungspraxis gezeigt hat. Ich empfehle, nach dem Ueben einen Spaziergang zu machen um Veränderung in uns wahrnehmen zu können und auch um Zeit zu haben, diese zu verarbeiten.
Durch die vielen Erlebnisse wurde mir klarer, dass wir in unserer Kultur eine Anleitung brauchen, wie wir mit unangenehmen Gefühlen umgehen sollen. Wir haben letztendlich Positives zu erwarten, weil sich unsere Lebendigkeit wieder durchsetzt. Wesentlich ist, dass wir am Ende kluge Entscheidungen treffen. Wenn wir heile Strukturen in uns wieder aktivieren können, so ist es möglich, dass wir uns für dieses neue Sein entscheiden können. Oft ist es so, dass sich die heilen Strukturen in uns nur kurz und vorsichtig zeigen. Wir verlassen Felder um Leid zu beenden. Das kann zur Aufgabe werden. Meine grösste Erkenntnis würde ich wie folgt umschreiben: ich habe erkannt, wie ich selbst Leid erzeuge und wie ich damit aufhören kann. Es handelt sich um Leid das bereits über Generationen weitergegeben wurde. Es gibt also krankmachende Strukturen und Kräfte als Stimmen in uns, die etwas dagegen haben, dass wir uns in Richtung Lebenslust und Freude bewegen. Am Ende geht es darum Entscheidungen treffen zu können. Unsere richtigen Entscheidungen sind der Beitrag für den Frieden den wir in die Welt tragen können.
Schule und Familie
Ich freue mich, wenn durch meine Kurse viele Menschen Lust bekommen, wieder mehr Raum und Zeit für das gemeinsame Singen und Tanzen in Familien und Schulen zu schaffen. Wenn Erwachsene wieder erleben, was mit Musik möglich ist, dann werden sie aktiv werden wollen, sich trauen, wieder zu singen und zu tanzen. Ich liebe es mit erwachsenen Kursteilnehmenden, Kinderlieder als Reigentänze zu tanzen, und die Tanzschritte aus dem Moment heraus in der Gruppe selbst zu erfinden. Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt und alles Tun kann im Schwierigkeitsgrad angepasst werden. Möge es uns gelingen, Singen und Tanzen vom Leistungsdenken entkoppeln zu können. Wenn wir uns wieder wie heile Kinder erleben, fällt dieses leistungsbezogene Denken von selbst weg und das Sein in der Gemeinschaft wird stressfrei und beglückend. Ich bin unendlich dankbar, das Potential der Melodien unserer Kinderlieder entdeckt zu haben, und ich bin dankbar für die Fähigkeit, dieses Wissen aufgrund von vieler Erfahrungen erlebnisnah vermitteln zu können. Nur über das Erfahren können wir verstehen.